Die Internet-Nichtversteher und der »Mob«

Während die EU-Kommission in einem dann rasch wieder gelöschten Artikel die Kritiker ihrer Urheberrechtspolitik einfach als “Mob” bezeichnet, hat sie mit den Vertretern von Rat und EU Parlament einen das World Wide Web in seinen Grundfesten erschütternden “Trilog”-Text zusammengestellt. Dessen endgültiges Inkrafttreten gilt es unbedingt zu verhindern.

Gefährliche EU Rechtssetzung durch Internet-Nichtversteher

Am 20.2.2019 soll bereits der Rat der EU-Regierungsvertreter den Text billigen. Dem “Mob” hingegen werden die vorgesehenen Texte bis heute erst gar nicht mittels des “legislative observatory” auf der Website des Europäischen Parlamentes zur Verfügung gestellt, anders als sonst üblich. Voraussichtlich im März wird das Europäische Parlament abschließend über den Text befinden. Man findet die Texte und ausführliche Besprechungen aber bei Julia Reda MdEP. Am besten beides gilt es noch zu verhindern, soll nicht die viel beschworene “Digitalisierung” zur absoluten Farce werden, während die Brüsseler Internet-Nichtversteher einschließlich EU-Parlamentsberichterstatter Axel Voss dem World Wide Web in der EU aus völliger Ignoranz den Stecker ziehen wollen. Warum ist der vorgesehene Richtlinientext so katastrophal?

Artikel 11

Artikel 11 räumt den Verlegern (und nur diesen) das absolute Recht ein, über die Veröffentlichung von Texten auch auf Plattformen (“information society providers”) allein zu bestimmen. Ausdrückliche Ausnahmen für Kurztexte oder Zitate sind nicht geregelt worden, ein Widerspruch zur internationalen Berner Urheberrechtskonvention.

Was folgt daraus: Es ist wahrscheinlich, dass z.B. Google News Verleger auslisten wird, die das Recht zur Veröffentlichung nicht einräumen, oder den Dienst in der EU einstellt. Kleine Plattformen haben diese Macht nicht, der Effekt gegenüber Google ist gleich Null. Politische Diskussionen auf anderen Plattformen werden massiv behindert und erschwert, entgegen der ursprünglichen Ansätze der WWW-Erfinder. Der von der Queen dafür geadelte Sir Tim Berners-Lee ließ gerade durch den Einsatz von Hyperlinks mit vorausschauenden Kurztexten das World Wide Web zur weltumspannenden Wissensplattform werden.

Die Möglichkeit zur Diskussion im Internet wird massiv eingeschränkt, Meinungsfreiheit, Demokratie und gesellschaftlicher Diskurs, Lösungsfindung und Innovation behindert, weil mit Linkzitaten belegtes Diskutieren enorm erschwert wird.

Artikel 13

Artikel 13 schreibt den Internet-Plattformen für die Verwendung jeglichen urheberrechtlich geschützten Materials die vorherige Lizensierung vor. Verstöße seitens ihrer Nutzer werden ihnen zugerechnet, sofern sie nicht nachweisen, dass sie alles ihnen auch technisch mögliche getan haben, Urheberrechtsverstöße zu vermeiden. Zwar sagt der weitere Text, dass darunter legitime Nutzerveröffentlichungen nicht leiden sollen. Wie dies die Plattformen aber bei den Ihnen allein zugeschriebenen Risiken gewährleisten sollen, bleibt völlig offen. Tatsächlich müssen die Plattformen also im Sinne der Risikovermeidung für ihr Geschäft im Zweifel alles durch einen Uploadfilter schicken, der im Zweifel erst einmal alles abweist.

Das Resultat ist eine faktische Zensur der Nutzer. Ähnlich wie zu finstereren Zeiten des vorrevolutionären 19. Jahrhunderts soll der Bürger künftig alles erst einmal einer - heutezutage automatisierten - Zensur unterwerfen. Das ist schlicht skandalös und bricht auch mit der grundgesetzlich wie unionsrechtlich garantierten Freiheit der Meinungsäußerung. Diese bedeutet nämlich, in eigener Verantwortung für sein Tun seine Meinung erst einmal sagen zu dürfen, und erst hinterher ggf. für Rechtsverstöße zur Rechenschaft gezogen werden zu können! Auf diesem Grundsatz beruht die Freiheit der Meinungsäußerung als Grundpfeiler von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Dass ausgerechnet die Verleger-Lobby diese Grundsätze hemmungslosen Profitinteressen opfert, ist eine Schande. Zumal sie gar nicht versteht, dass sie sich damit auch selbst den Gar aus macht.

Denn der größte Witz an der Sache ist ja, dass “richtig” funktionierende Uploadfilter wegen der in Artikel 13 des Richtlinienentwurfs ausdrücklich genannten hohen technischen Ansprüche praktisch gesehen derzeit nur von den ganz Großen in Silicon Valley bereitgestellt werden können. Selbst das wird in unzureichender Qualität sein gegenüber den Vorstellungen der realitätsfernen Kommission. Es wird nicht möglich sein, alle legitimen Veröffentlichungen ohne weiteres zu erkennen und somit nicht zu filtern. Kleinere Plattformen werden die Software als Service z.B. von Google oder Facebook beziehen müssen, um die EU-Regularien erfüllen zu können. Oder sie gehen Pleite. Oder die Nutzer dürfen nichts mehr hochladen. So treiben die EU Kommission und Axel Voss MdEP die ohnehin aufgrund zahlreicher falscher Entscheidungen der Politik in der Vergangenheit bereits im erheblichen Rückstand befindlichen Informations- und Kommunikationsbranche in der EU in den Ruin und füttern die Großen aus Silicon Valley - the self-perceived knight feeds the dragon, much like Don Quichote once fought wind-mills rather than foe.

Aufruf zu Aktion

Die knappe Zeit bis zur erneuten Beschlussfassung im Rat der EU am 20.2.2019 sowie voraussichtlich im März im EU-Parlament muss genutzt werden, um die Entscheider umzustimmen - oder schlimmstenfalls bei der Europawahl für solchen Murks konsequent abzuwählen.

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