Prinzip 1 Grenzen
Blogreihe über Elinor Ostroms acht Designprinzipien für Gemeinschaftsressourcen

Infrastruktur als Commons oder Wir holen uns das Internet zurück (1)

Wenn wir technische Infrastruktur als Gemeinschaftseigentum verwalten wollen, müssen wir die Prinzipien kennen, mit denen das erfolgreich gelingen kann. Die Politologin Elinor Ostrom hat in empirischen Studien acht Designprinzipien identifiziert, mit denen Commons-Ressourcen erfolgreich verwaltet werden. In dieser Blogreihe stellen wir die Ostrom’schen Designprinzipien vor und wenden sie auf Genossenschaften an.

1. Grenzen

Das erste Designprinzip1 ist von fundamentaler Bedeutung. Es legt fest, dass die Gemeinschaftsressource als solche und die Gruppe der legitimen Nutzer klar umrissen und bestimmt sein müssen. Eine bestimmte Gruppe von Menschen soll eine bestimmte Gemeinressource exklusiv nutzen können. Die jeweilige Gruppe von Menschen erhält damit auch die Macht zur Gestaltung der Gemeinressource.

Das erste Prinzip gewährleistet, dass diejenigen, die die Ressource nutzen auch diejenigen sind, die für die Ressource zuständig sind und ihre Nutzung gestalten können. Das ist entscheidend, denn nur dann können die Ressourcen-Nutzer die weitere Designprinzipien von Elinor Ostrom umsetzen.

Frei wie in Freiwild

Wir haben bereits in der Einleitung festgestellt, dass diese Grenzen bei freier Software nicht genau bestimmt sind. Es erscheint zu kurz gegriffen, wenn man lediglich den Code selbst als Ressource begreift und nicht auch die Arbeitskraft der Entwickler und Maintainer in die Betrachtung mit einbezieht.

In der Regel setzt man voraus, dass die Gemeinressource freie Software durch lizenzrechtliche Grenzen genau bestimmt sei. Lizenzen unterscheiden teilweise zwischen legitimer und nicht-legitimer Nutzung, nicht aber zwischen legitimen und nicht-legitimen Nutzern. Jeder kann die Software nutzen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Das erste Prinzip gut verwalteter Commons-Ressourcen ist bei freier Software also nicht erfüllt. Das hat Folgen. Trotz der teilweise ausführlich formulierten Lizenzen ist freie Software in weiten Teilen völlig ungeregelt. Es gilt das Gesetz des Stärkeren. Es profitiert derjenige am meisten von freier Software, der sie am effektivsten und effizientesten nutzen kann. In der Vergangenheit waren das vor allem große IT-Konzerne, die mit freier Software ihre hochprofitablen Plattformen geschaffen haben. Für sie ist freie Software frei wie in Freiwild.

Miteinander füreinander

Genossenschaften ziehen in der Regel eine klare Grenze zwischen legitimen Nutzern und Personen, die nicht berechtigt sind, die Gemeinressource zu nutzen. Die Anerkennung der Grenze erfolgt durch Mitgliedschaft in der Genossenschaft oder, um es ökonomisch auszudrücken, durch die Beteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen, welche die Gemeinressource herstellt und verwaltet.

Bereits in der Einleitung haben wir die deutsche Commons-Forscherin Silke Helfrich zitiert: »Gemeingüter sind nur, wenn wir sie herstellen. Sie bleiben nur, wenn wir sie pflegen.«2 In einer Konsumgenossenschaft wird dieser Zusammenhang augenfällig. Die Gemeinressource, seien es nun Wohnhäuser wie in einer Wohnungsgenossenschaft oder Server wie bei Hostsharing, wird gemeinsam hergestellt und nur von denen konsumiert, die sie produziert haben. Die Beteiligung an der Produktion der Ressource geschieht durch die Beteiligung an dem Gemeinschaftsunternehmen, das die Ressource herstellt und pflegt, sowie durch ehrenamtliche oder vergütete Arbeit in der Produktion. Produzent und Konsument sind aber identisch. Fremde Investoren zweigen aus dem Unternehmen kein Geld ab.

Bei Hostsharing werden die IT-Dienstleistungen durch die Mitarbeiter der Genossenschaft mit Hilfe von Technik erbracht, die sich im Eigentum der Genossenschaft befindet. Das Gemeinressourcensystem ist damit exakt von dem größeren sozio-ökonomischen System abgegrenzt: Hier die Server im Eigentum der Genossenschaft, dort die Rechenzentren und Netze, die im privaten Eigentum anderer Unternehmen das Internet bilden.

Miteinander für andere

Bei Produktionsgenossenschaften sind die Grenzen ebenfalls klar gezogen. Sie verlaufen bloß anders. Wie der Name sagt, schließen sich Menschen in einer Produktionsgenossenschaft zusammen, um Waren oder Dienstleistungen zu produzieren, die sie anderen Marktteilnehmern, die in der Regel nicht Mitglied der Produktionsgenossenschaft sind, verkaufen können. Das gemeinsame Ressourcensystem sind in diesem Fall kooperative Produktionsmittel, mit denen die Mitglieder der Genossenschaft Produkte herstellen oder Dienstleistungen anbieten, die vor allem Personen außerhalb der Genossenschaft konsumieren.

Intakte Genossenschaften orientieren sich am wirtschaftlichen Vorteil ihrer Mitglieder. Dies sind im Fall einer Produktionsgenossenschaft die produzierenden Mitglieder, nicht die konsumierenden Kunden. Die Kunden einer Produktionsgenossenschaft stehen prinzipiell nicht besser da als die Kunden einer beliebigen anderen Kapitalgesellschaft. In einer Produktionsgenossenschaft ist die Zahl der Geförderten eng begrenzt und schließt nicht diejenigen ein, die die Produkte der Genossenschaft kaufen. In einer Konsumgenossenschaft profitieren alle, die die Produkte der Genossenschaft kaufen, da sie alle an ihrer Produktion beteiligt sind.

Die Übergänge sind fließend. Hostsharing versteht sich als Konsumgenossenschaft. Unter den Mitgliedern befinden sich aber auch viele Reseller, die Leistungen der Genossenschaft ihrerseits aufwerten und weiterverkaufen. In dieser Hinsicht ließe sich Hostsharing als Produktionsgenossenschaft verstehen. In beiden Fällen lässt sich jedoch zeigen, dass das erste Designprinzip von Elinor Ostrom in einer Genossenschaft wie Hostsharing umgesetzt wird.

Im nächsten Teil geht es um das zweite Prinzip: die Kongruenz.

  1. Einleitung
  2. Grenzen
  3. Kongruenz
  4. Gemeinschaftliche Entscheidungen
  5. Monitoring der Nutzer und der Ressource
  6. Abgestufte Sanktionen
  7. Konfliktlösungsmechanismen
  8. Staatliche Anerkennung
  9. Eingebettete Institutionen und polyzentrische Governance

  1. Wir übernehmen hier und in den kommenden Artikeln die Formulierung der Prinzipien aus dem Buch: Die Welt der Commons: Muster gemeinsamen Handelns. Hrsg. v. Silke Helfrich/ David Bollier/ Heinrich Böll Stiftung. 1. Aufl. Bielefeld 2015, S 55f. ↩︎

  2. Commons: für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Hrsg. v. Silke Helfrich/ Heinrich Böll Stiftung. 2. Aufl. Bielefeld 2014. ↩︎

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